Geschichte des MV Winterstettenstadt

Gründung

Im Frühjahr 1921 fanden 15 junge Leute zusammen und verpflichteten sich, den Grundstock zur Kasse zu legen.
Von ihnen waren 350 Reichsmark aufzubringen. Zur damaligen Zeit ein stattlicher Betrag, der in Abschlagszahlungen von RM 150, beginnend am 14. Juni und im vollen Umfang bis Weihnachten 1921 in die Vereinskasse einzubezahlen war. Hiervon wurden gebrauchte, gut erhaltene Instrumente angeschafft. Finanzkräftige Mitglieder kauften sich bereits ihr Eigenes. Ein weiteres Problem stellte die Bereitstellung eines geeigneten Probelokals dar. Die ortsansässige Gastronomie mit ihren Sälen fiel aus, da sie durch die anfängliche Proberei und dem damit verbundenen nicht ganz reinen Klangbild die Vertreibung ihrer Stammkundschaft befürchtete. Durch freundliches Entgegenkommen von Schultheiß Müller und Oberlehrer Veith stellten diese den oberen Schulsaal zur Verfügung, in dem die

Gründungsversammlung am 15. Mai 1921 einberufen wurde. Nach der Bekanntgabe der Tagesordnung verlas man die Statuten und bei freier Meinungsäußerung eines jeden einzelnen wurde darüber diskutiert.

Die anschließenden Wahlen erbrachten folgendes Ergebnis:

Vorstandschaft:

Vorstand
Dirigent
Kassier
Schriftführer
erweiterter Vorstand

Vinzenz Stark
Gottlob Strodtbeck
Martin Lemmle
Paul Kreß
Joseph Braunger

als weitere Mitglieder zeichneten:

Georg Mock
Eugen Harsch
Albert Müller
Anton Zinser
Joseph Heine

Josef Pfarr
Joseph Lemmle
Georg Zinser
Max Schill
Sebastian Diebold

einige Monate später kamen hinzu:

Franz Steinhauser
Karl Härle
Franz Mohr
Baptist Steinrock
Johann Lang

Anton Zeh
Klemens Jäggle
Clemens Gier
Joseph Mock

Blaskapelle 1921

Aller Anfang ist schwer

In der Vereinskasse herrschte gähnende Leere. Um diese Miesere zu beheben, fanden Haus- und sonstige Sammlungen statt.
Theateraufführungen zu gegebener Zeit brachten einen stattlichen Betrag und verbesserten die finanzielle Lage.

Einzelne Gönner, die im Besitz eines Instrumentes waren, stellten das dem Verein zur Verfügung. Ein Piston kam von Oberlehrer Veith, der Kriegerverein konnte seine kleine Trommel entbehren, die Gemeinde gab einen Zuschuss zum Kauf einer Posaune, Franz Haller, als vormals hiesiger Bürger, ausgewandert nach West Palm Beach/Nordamerika, spendierte RM 780 zum Kauf einer großen Trommel. Den ersten öffentlichen Auftritt hatte die Kapelle am Kirchweihsonntag, dem 16 Oktober 1921. Anlass dazu gab ein Schauturnen des Turnvereins Waldsee auf einem Festplatz in der Nähe des Stadelhofes. Sie hatten die Musiker gebeten, ihre Veranstaltung musikalisch zu umrahmen. Zur bleibenden Erinnerung an diesen Tag ließ sich die Kapelle fotographisch aufnehmen.

Die Anfangsschwierigkeiten forderten auch ihren Tribut. Bereits am 24. Oktober 1922 gab Vorstand Vinzenz Stark nach Differenzen mit Dirigent Strodtbeck sein Amt ab. Josef Braunger trat an seine Stelle. Meinungsverschiedenheiten zwischen musikalischem Leiter und Bläsern, er appellierte immer wieder an die Manneszucht, gab es öfters. Die Situation eskalierte, als sich die Kapelle beim Radfahrfest nicht von der besten Seite zeigte. Nach Auseinandersetzungen mit der Vorstandschaft des Radfahrvereins trat Herr Strodtbeck am 5. Juli 1923 ab und Franz Xaver Kaiser, wohnhaft im Bahnhof Essendorf, übernahm die Stabsführung. Unter der neuen Leitung nahm der Verein einen enormen Aufschwung. Dem Oberschwäbischen Musikverband wurde beigetreten.

Erste Wertungsspiele

Beim Bezirksmusikfest am 15 Juni 1924 in Aulendorf erreichte die 25-Mann starke Kapelle in der Unterstufe einen 1. Rang mit Auszeichnung. Das Verbandsmusikfest 1925 in Leutkirch war ein weiterer Höhepunkt in der noch jungen Vereinsgeschichte.
In der Niederen Stufe erreichte man beim Wertungsspiel mit 120 Punkten die Höchstpunktzahl. Zwischenzeitlich nahm die Sollstärke um über 20 Bläser zu. Das erforderte auch neues Instrumentenmaterial. Als weitere Stiftung ging der Kapelle 1926 ein B-Bass der Gebrüder Reich aus Nordamerika zu. Auch die Gemeinde zeigte sich spendabel und übergab einen Es-Bass. 
Von 1928-1930 hatte Hauptlehrer Schwarz die Dirigentschaft inne.

Blaskapelle 1928

Ab 1930 übernahm Josef Haller der Dirigentenstab und 1931 löste der bisherige Schriftführer Paul Kreß Josef Braunger an der Vereinsspitze ab. Die Kapelle hatte sich nun stabilisiert und ging ruhigeren Zeiten entgegen. Die Aktiven zahl schwand etwas und pendelte sich auf einen Stamm von 26 Bläsern ein. Man war wie eine große Familie, stets präsent, wenn es galt am kirchlichen oder politischen Leben der Gemeinde musikalisch teilzunehmen. Veranstaltet wurden Gartenfeste und Konzerte, man spielte zum Tanze und unterhielt mit Theateraufführungen. 1933 kleidete sich die Kapelle mit blauen Mützen und blauem Anzug zum ersten Mal komplett ein. Bereits 1929 hatte es nur grüne Kappen gegeben.

Die Kriegsjahre

Die Zeit ging nun mit großen Schritten dem Zweiten Weltkrieg zu. Wie bei allem anderen auch, beeinflussten die Jahre den Verein in entscheidendem Maße. Die meisten Männer wurden eingezogen und mussten Kriegsdienst leisten. Die letzten Eintragungen zu dieser Zeit im Protokollbuch datieren vom 20. April 1939 – „Geburtstag des Führers“ – und am 23. April 1939, festlich und feierlicher Kirchgang anlässlich des St. Georg-Festes. 12 Musikanten sind in den schweren Jahren verblieben, um Aufgaben wahrzunehmen und in der tristen Zeit der Ortsbevölkerung mit ihrer Aufwartung zu gegebener Zeit den Alltag zu erhellen.

Neugründung 1950

Wie schon im Jahre 1921 war es die junge Generation und heimkehrende Soldaten, die darauf drängten, wieder Musik zu machen. Bereits im Jahre 1949 gelang dem damaligen Bürgermeister Anton Harsch mit Alois Ruf einen Lehrer ins Dorf zu bringen, der auch bei den Blasmusikern engagiert zu Werke ging. 18 Neue durchliefen seine Ausbildung im Vorfeld, wodurch bei der Generalversammlung und Neugründung zusammen mit den Altgedienten ein Stamm von 24 aktiven Musikanten und 5 Zöglingen vorhanden war. Diese und die ganze Bürgerschaft wurden vom „Noch-Vorsitzenden“ Paul Kreß auf den 26. November 1950, abends einhalb acht Uhr ins Vereinsheim, Gasthaus Adler, einberufen.

Die geheime Wahl brachte folgendes Ergebnis:

Vorstandschaft:

Vorstand
Schriftführer
Dirigent
Kassier

Hubert Hopp
Baptist Steinrock
Alois Ruf
Franz Burghart

Blaskapelle 1952

Finanzprobleme

Bei der Generalversammlung 1954 herrschte in der Kasse ziemliche Ebbe. Laut Protokollbericht musste Dirigent Becker infolge der finanziellen Lage des Vereins ausscheiden und Albert Meinke übernahm dieses Amt. Zu der Zeit durchschritt die Kapelle eine Talsohle. Auf den 23. November 1955 berief Vorstand Hubert Hopp seine Musiker wegen sehr schlechtem Probenbesuch zu einer außerordentlichen Versammlung ein und stellte die ultimative Frage „Seid ihr gewillt, dass der Musikverein Winterstettenstadt weiter bestehen soll zum Wohle der Gemeinde, oder soll er ganz einschlafen. Sie kamen zu dem Entschluss, die Musik weiter zu pflegen, denn ohne Dorfmusik seien die Bürger auch nicht zufrieden“. Am 07. März 1955 ist der Verein beim Amtsgericht Waldsee mit dem Namen „Musikverein Winterstettenstadt e.V.“ in das Vereinsregister eingetragen worden. Unter Albert Meinke gewann die Kapelle an Kontinuität und Solidarität. Rege Teilnahmen bei Musikfesten und Wertungsspielen brachten in der Unterstufe zahlreiche Erfolge. Die Mannschaft hatte zu dieser Zeit über längere Jahre eine Sollstärke von ca. 16 Aktiven plus 7 Zöglingen. Bei der Generalversammlung 1956 dankte Hubert Hopp unter anderem den beiden Aushilfs-Klarinettisten aus Oberessendorf, wobei einer von ihnen Hans Laub war. 1961 gab dieser dann die Zusage, voll in der Kapelle mitzuspielen. Im selben Jahr übernahm Fritz Felix aus Biberach das Dirigentenamt von Albert Meinke. Seine wohl größte Aufgabe war die musikalische Mitgestaltung der 100-Jahr-Feier des Sängerkranzes Winterstettenstadt in reizendem Rahmen am 14./15. Juli 1962.

Jugendarbeit

Die Jahre 62/63 waren Meilensteine in der Vereinsgeschichte. Durch tatkräftigen Einsatz vom Vorsitzenden Hubert Hopp und Schriftführer Baptist Steinrock gelang es, 1962 eine Jugendkapelle zu gründen. Als Ausbilder konnte Musikdirektor Josef Feßler aus Biberach gewonnen werden, der bis zu 25 Zöglinge unter seinen Fittichen hatte, der ein Modellfall im Bereich des Blasmusikverbandes und ein Aushängeschild für die Gemeinde darstellte.

Als dann Hans Laub 1963 den Dirigentenstab von Fritz Felix übernahm, hatte der Verein ein Funktionärsquartett, optimal von den weiteren Ausschussmitgliedern unterstützt, das die Geschicke über lange Jahre in einschneidendem Maße positiv bestimmte. Mit prophetischer Voraussage schrieb der Protokoller „dass die Zukunft unserer Kapelle in guten Händen liegt“.
In imponierender Weise verstanden es Josef Feßler und Hans Laub, ihre Bläser zu motivieren, im musikalischen Bereich weiterzubringen und auf hohem Niveau zu halten. Den Erfolgen der Jugend mit Auszeichnungen bei Wertungsspielen stand die Aktivkapelle in nichts nach.

Ab 1964 begannen die Burgfeste der „Neuzeit“. Sie gingen jetzt unter der Regie des Musikvereins über die Bühne. 1965 starteten bei diesem Anlass die sehr guten Beziehungen zur Bürgermusik Gams in der Schweiz, die nach Einladung als Bauernkapelle in blauen Hemden auftrat. Diese freundschaftliche Bande wurden in regelmäßigen Abständen bis zum heutigen Tage immer weiter und besser vertieft.

Im Jahre 1969 kleidete man sich mit einer neuen Uniform, bestehend aus anthrazitfarbener Hose, weinroter Jacke mit aufgesticktem Stadtwappen und passender Krawatte ein. 1972 galt die Aufmerksamkeit dem bevorstehenden Kreismusikfest vom 21. bis 25. Juni 1973. Anlass dazu gab das etwas verspätete 50-jährige Jubiläum des Vereins, welches bei einem Festakt am Freitagabend im kurz zuvor fertig gestellten neuen schönen Fachwerkhaussaal gebührend gefeiert wurde. Die Zugnummern im großen Zelt auf der Wiese Harsch/Ersing, gleich beim Ort, war neben der gebotenen Unterhaltung sonntagabends die „Südwest-Starparade“, montagabends die „Original Flippers“, mit medienbekannten Interpreten. 
Beim Wertungsspiel beteiligten sich 11, beim prächtigen Festumzug durchs Ort 35 Kapellen. Über die Tage und zuvor erfuhr der Verein tatkräftige Unterstützung der gesamten Einwohnerschaft. Das ganze litt aber unter der etwas nasskalten Witterung.

Musikkapelle 1971/72

In den folgenden Jahren kam das Vereinsschiff in verhältnismäßig ruhiges Fahrwasser, man erfüllte pflichtbewusst die gestellten kulturellen Aufgaben. Aus gesundheitlichen Gründen gab Baptist Steinrock bei der Generalversammlung 1977 nach 27-jähriger Tätigkeit sein Amt als Schriftführer an Anton Traub weiter.

Zwei Jahre später, bei der Generalversammlung am 11.03.1979, folgte ihm Vorsitzendes Hubert Hopp. 29 Jahre hatte er in aufopfernder Weise der Volksmusik gedient. Beide hatten den Verein über Jahrzehnte mit enormem Einsatz durch viele Höhen und Tiefen geführt und übergaben ihn nun in voller Blüte den Nachfolgern.

Hubert Hopp und Baptist Steinrock

Hubert Hopp
Baptist Steinrock

Dies waren als Vorstand Anton Traub, als Schriftführer Hans Köberle. Mit einer neuer Uniform, brauner Jacke, braunem Leibchen und paspelierter Hellbrauner Hose stellten sich die Musiker beim Osterkonzert am 15.04.1979 vor. Bei diesem Konzert wurde Hubert Hopp für seine Verdienste für den Verein zum Ehrenvorsitzenden ernannt. 
Ab 1981 entlastete Walter Meseck Josef Feßler, indem er die Gesamtproben und Auftritte der Jugendkapelle übernahm. Die Holzbläser hatte er schon einen längeren Zeitraum als Ausbilder in seiner Obhut. Anlässlich des 60-jährigen Bestehens bot das Ensemble am 17. Mai 1981 ein anspruchsvolles und gut gelungenes Wunschkonzert. Das zahlreiche und sachkundige Publikum hörte neben dem Ohrenschmaus auch eine kurz gefasste Chronik. Alle Aktiven, besonders aber der musikalische Leiter bekam viele lobende Worte ob der gezeigten Leistungen. Mehrere Ehrungen konnte dann Hans Laub zu seinem 20-jährigen Dirigentenjubiläum ,er stand im gleichen Zeitraum auch der Kapelle Oberessendorf vor, im Jahre 1983 in Empfang nehmen.

Eine Ära geht zu Ende

Josef Feßler

Im hohen Alter von 94 Jahren hielt Musikdirektor Josef Feßler noch seine Übungsstunden bei uns ab. Aus gesundheitlichen Gründen, nur seine Liebe zur Blasmusik hielt ihn so lange fit, musste er Anfang 1985 sein sehr erfolgreiches Wirken einstellen. Das Frühjahrskonzert am 20. April 1985 gab den Rahmen für seine Verabschiedung. In einer Ansprache würdigte Vorsitzender Anton Traub die hervorragende Arbeit von Ehrenmitglied Herrn Feßler, bei dem in 23 Jahren seines Schaffens in Winterstettenstadt 106 Musikschüler in die Proben gingen. Davon waren zum damaligen Zeitpunkt noch 60 Musiker aktiv, 46 in der Kapelle und 14 in der Ausbildung. Er ist stets ein leuchtendes Vorbild in all den Jahren gewesen. 
Um weiter mit Nachwuchs gut versorgt zu sein, startete im Juli 1988 mit 10 Azubis eine neue Jugendausbildung.

Unser Ehrendirigent

Hans Laub

Dass die Kapelle unter seinem Leiter Hans Laub im „Ländle“ einen guten Ruf besitzt, zeigte das Frühjahrskonzert 1989, als 12 Dirigenten umliegender Vereine sich unter den Zuhörern befanden. Anton Traub stellte sich bei der Generalversammlung am 18.03.1990 nach 11-jährigem sehr erfolgreichen Arbeiten als 1. Vorsitzender nicht mehr zur Wahl. Nachfolger wurde Manfred Heber, unterstützt von den 2. Vorsitzenden Georg Jäggle und Bernhard Müller, die bereits dem Vorgänger in dieser Position zur Seite standen. Völlige Überraschung und betretenes Schweigen herrschte in der Probe am 05.07.1990, als Hans Laub bekannt gab, dass er sein Amt nach einer angemessenen Zeit zur Suche eines „Neuen“ zur Verfügung stelle. 

Nach 27-jähriger Tätigkeit legte er beim Weihnachtskonzert 1990 den Dirigentenstab ab. Aus schwierigen Anfängen hat er die Kapelle zu einem leistungsstarken und klangvollen Ensemble geformt, umschiffte zusammen mit den Vorständen Hubert Hopp und Anton Traub manche Klippe und hielt das Ganze auf einem beachtlichen Oberstufen-Niveau. Über so lange Zeit ununterbrochen Dirigent im selber Verein zu sein, sagt sehr viel über Qualität und Idealismus aus. Für seine Verdienste ernannte man Hans Laub beim Frühjahrskonzert 1991 zum Ehrendirigenten. Seinen Posten übernahm Musikdirektor Adolf Kremser aus Gaisbeuren. Eine Abstimmung unter den Aktivmusikern brachte eine große Mehrheit für ihn gegenüber einem Mitbewerber.